- Zurzeit erreichen viele Webseitenbetreiber Abmahnungen wegen der Remote-Einbindung von Google Fonts.
- Besonders aktiv sind dabei die Anwaltskanzleien RAAG Rechtsanwalt Digikoros Kairis, Meerbusch und die Rechtsanwaltskanzlei Kilian Lenard, Berlin.
- Die Abmahner berufen sich hierbei auf ein Urteil des LG München und fordern Webseitenbetreiber zur Zahlung von geringfügigen Schadensersatzbeträgen auf.
- Reagieren Sie nicht direkt auf die Abmahnung oder bezahlen Sie diese. Überprüfen Sie zuerst den Vorwurf und binden Sie ggf. die Google Fonts lokal ein.
- Bei den weiteren Schritten unterstützen wir Sie gerne, sowie die mit uns kooperierende Rechtsanwaltskanzlei Hartmann Dahlmanns Jansen.
- Eine Einzelfallprüfung ist in jedem Fall sinnvoll.
Worum geht’s?
Die überwiegende Anzahl der Webseiten verwendet Schrifttypen von Google (s.g. Google Fonts) auf ihren Seiten. Ziel ist die Vereinheitlichung des Internetauftritts, da andernfalls der individuell beim Betrachter vor Ort installierte Schrifttyp angezeigt wird. Eine in vielen Varianten erscheinende Internetseite wäre die Folge. Durch die Einbindung von Google Fonts wird dieser ungewollten Vielfalt ein Riegel vorgeschoben.
Mit seinem Urteil vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20, hat das Landgericht München I festgestellt, dass eine auf der Webseite fehlende oder auch nur fehlerhafte Einwilligung zur Verwendung von Google Fonts eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Webseiten-Besuchers darstellt. Sowohl eine automatische Weiterleitung der IP-Adresse als auch eine fehlende Einwilligung des Webseiten-Besuchers sollen einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO entstehen lassen.
Das Problem
Auch wenn ein Standard stets wünschenswert ist, spielt es eine Rolle, wie dieser erreicht wird. Im Falle von Google Fonts sind sämtliche Schrifttypen auf Servern von Google, die in den USA liegen, hinterlegt und werden von dort den jeweiligen Internetseiten beim Aufruf zur Verfügung gestellt. Der Vorteil daran ist, dass Google die Schriftarten zentral verwalten und ergänzen kann, die Internetseiten „schlanker“ macht und dem Webseitenprogrammierer die Arbeit erheblich erleichtert wird.
Problematisch ist jedoch die Tatsache, dass bei jedem Abruf eines solchen Google Fonts personenbezogene Daten (wie z.B. die IP-Adresse) des Webseiten-Besuchers übermittelt werden. Ohne Zustimmung des Users verstößt dieses gegen geltendes Recht.
Für diesen Verstoß reicht es laut Gericht aus, dass „die abstrakte Möglichkeit der Bestimmbarkeit der Personen hinter der IP-Adresse besteht.“. Es kommt hierbei nicht darauf an „[…], ob […]“ der Webseiten-Betreiber „oder Google die konkrete Möglichkeit hat, die IP-Adresse mit […]“ dem Webseiten-Besucher zu verknüpfen […].“
Google sei „ein Unternehmen, das bekanntermaßen Daten über seine Nutzer sammelt und das damit vom […]“ Webseiten-Besucher „[…] empfundene individuelle Unwohlsein so erheblich, dass ein Schadensersatzanspruch gerechtfertigt ist.“
„Berücksichtigt werden muss dabei auch, dass unstreitig die IP-Adresse an einen Server von Google in den USA übermittelt wurde, wobei dort kein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet ist.“.
Die Lösung
Laden Sie die auf Ihrer Seite verwendeten Google Fonts auf Ihren Hosting-Server (Server auf dem Ihre Webseite liegt) herunter und binden Sie die Schriften lokal ein. Vergessen Sie nicht dabei die Aufrufe zum Google Server zu löschen. Ihre Werbeagentur oder Ihr Webseitenbetreiber weiß was zu tun ist. Gerne helfen auch wir Ihnen weiter.
Die Abmahner
Obiges Urteil nehmen Abmahner nun zum Anlass, um ihren „Anspruch“ massenhaft geltend zu machen. Besonders auffällig sind hierbei
- RAAG Rechtsanwalt Digikoros Kairis, Meerbusch, der für seinen Klienten Herrn Wang YU auftritt, und
- Rechtsanwalt Kilian Lenard, Berlin, der für einen Herrn Martin Ismail auftritt, der wiederum für die „IG Datenschutz“ tätig sein will.
Beide Kanzleien fordern in ihren Schreiben Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz. RA Kairis stellt überdies noch seine anwaltlichen Gebühren in Rechnung. Die Gesamtforderung rangiert, je nach Verfasser und Version, zwischen 170,00 € und knapp 230,00 €. Eine zu unterschreibende Unterlassungserklärung wird z.Zt. noch nicht beigefügt. Die gesetzte Zahlungsfrist ist ungewöhnlich kurz bemessen.
Nachgebesserte Versionen obiger Abmahnschreiben sind nicht auszuschließen. Auch weichen andere Abmahner von den Genannten in Inhalt und Forderung ab.
Und jetzt?
Vom völligen Ignorieren einer Abmahnung raten wir ab. Schließlich ist im hier erörterten Fall der abgemahnte Sachverhalt grundsätzlich korrekt. Deshalb sollten Sie aktiv werden und für die lokale Einbindung der Google Fonts sorgen. Das Beibehalten einer externen Einbindung von Google Fonts ist aufgrund der gegenwärtig vorherrschenden Haltung von Datenschutzbehörden und Gerichten risikobehaftet.
Klären Sie den Umgang mit dem im Abmahnschreiben formulierten Unterlassungs- und Auskunftsanspruch ab. Rechtlich korrekte Ansprüche wären zu erfüllen, da andernfalls Verfahren und Bußgelder drohen. Aufgrund der verschieden sich im Umlauf befindlichen Versionen des Abmahnschreibens empfehlen wir eine Einzelprüfung.
Hinsichtlich der Schadensersatzforderung von 170,00 € (in einer Version) ist die Frage zu stellen, worauf sich diese beruft. Das Landgericht München I, zum Beispiel, hat in seinem Fall auf einen Schadensersatz von nur 100,00 € entschieden.
Da Sie mit einer der oben genannten Abmahnungen inzwischen nur noch eine/r von sehr vielen anderen sind (Stichwort „Massenabmahnungen“), wäre überdies die Frage zu klären, inwieweit sich deren Mandant immer noch auf das „empfundenes, individuelles Unwohlsein“ des LG München I berufen und hier ggfs. der Tatbestand der Rechtsmissbräuchlichkeit entgegen gebracht werden kann.
Abgesehen von der obigen Erörterung kann überdies davon ausgegangen werden, dass die Abmahner in die Übermittlung der Daten in die USA eingewilligt haben. Schleßlich haben sie die Besucheder Homepages bewusst vorgenommen, um die IP-Adressen-Weitergabe in die USA auszulösen. Dann aber läge kein datenschutzrechtlicher Verstoß vor, der eine Abmahnung begründen würde.
Fazit
Abmahnkanzleien bewegen sich auf dünnem Eis. Das Landgericht Baden-Baden z.B. hat jüngst einer einstweiligen Verfügung gegen eine Abmahnkanzlei stattgegeben (vgl. Beschluss vom 11.10.2022, Az. 3 O 277) der derzeit im Wiederholungsfall ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € vorsieht.
Reagieren Sie auf die Google-Fonts-Abmahnungen der Kanzleien RAAG Rechtsanwalt Digikoros Kairis und Kilian Lenard also nicht direkt. Überprüfen Sie die Version des Schreibens und den Inhalt der Abmahnung auf Stichhaltigkeit und lassen Sie sich notfalls rechtlich beraten. Die mit uns kooperierende Kanzlei Hartmann Dahlmanns Jansen steht Ihnen dabei zur gerne Seite.